Montag, 4. Juni 2012

Zuhause


Zuhause

Ich weiß nicht mehr,
wann ich es verloren habe,
aber irgendwann  begann es hier,
auf einer alten, staubigen Landstraße,
auf dem Weg zu ihm
und ich wusste nicht,
wer und wo es ist
und ob es das überhaupt gibt.

Wer ist dieser abgerissene, gebeugte  Alte dort,
dessen Schatten mich seit Tagen schon verfolgt.
Und dann an einem Wasserlauf im hellen Sonnenschein,
grinst mir mein eigener Schatten hämisch ins Gesicht.

Die Müdigkeit steckt mir in den Gliedern,
mein Gang ist schleppend und schlurfend,
die Fetzen an den Füßen,
ziehen Furchen in den Kies und Sand.

Der Staub brennt in meinen Augen,
die Sonne hat mir die Haut verbrannt.
Meine Stirn glüht, mein Mund ist ausgedörrt
Und in meinem Kopf kocht das Blut.

Die Augen fallen mir zu.
Ich habe keinen Blick für das Leben am Straßenrand.
Die farbenprächtigsten Blumen scheinen grau.
Der Gesang der Lerchen erreicht mich nicht mehr.

Mein Weg führte mich durch viele Länder.
Unterwegs bin ich in Häusern eingekehrt
und einige waren dabei, die ihm sehr ähnlich waren
und es trieb mich wieder auf die Straße –
weil sie ihm nur ähnlich waren.

Vielleicht war ich auch noch zu ruhelos,
wollte noch was sehen und erleben,
mir den Wind um die Nase wehen lassen
und mit Mond und Sternen über mir,
mich zur Ruhe begeben.

So bin ich weitergezogen, mit offenem Blick
und einem  Lied auf den Lippen.
Und dann kam es – mein Kind.
Als ich es verlor,
war ich ein gebrochener Mann.

Als ich dann wieder auf die Füße kam,
mit Staub, Dreck und Schlamm bedeckt,
die Seele wundgeschlagen,
zog ich weiter auf dem endlosen Band,
das nur die Sehnsucht nach ihm kennt.


Dann dachte ich, es sei  jetzt an der Zeit,
selbst ein Haus am Weg zu bauen.
Doch vielleicht war ich kein guter Architekt,
denn es schien, als ob mein Fundament schon schlecht.

Und was mich weinen ließ und traurig stimmte,
dass mit meinem Fundament,
vielleicht auch unser Haus zerbricht.
Es brannte mich wie Feuer,
als unser  Haus Risse zeigte
und sich zur Seite neigte.

Und doch sehnte ich mich nach Geborgenheit,
Zärtlichkeit, und meine wollte ans Licht.

Und ich muss wieder auf die Straße,
obwohl mich meine Füße kaum noch tragen
und ich nur aus Schmerz
und Sehnsucht nach ihm bestehe.

Jetzt bin ich wieder
auf der alten staubigen Landstraße
auf dem Weg zu ihm,
nur weiß ich nicht,
wer und wo es ist,
und ob es das überhaupt gibt,
außer in mir.

Dieter Edelmann, 14. 06. 1981

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