Samstag, 9. Juni 2012

Monster

Monster

Es macht mich krank,

wenn ich sehe,
was viele für ein Verhältnis
zu ihren Kindern haben.

Sie meinen,

weil sie sie gezeugt haben,
gehören sie auch ihnen.

Sie setzen sie in die Welt,

wie sie sich etwas kaufen.
Dabei sind sie ihnen
nur anvertraut.

Dieter Edelmann, 1989

Montag, 4. Juni 2012

Das silberne Tablett


Das silberne Tablett

Ich habe dir mein Herz
auf einem silbernen Tablett serviert.
Aber du hast damit
nichts anderes anzufangen gewusst,
als es langsam zu tranchieren.
Hast du ein Huhn gesehen?

Ich habe dir mein Herz
auf einem silbernen Tablett serviert,
aber du hast damit
nichts anderes anzufangen gewusst,
als es häppchenweise zu verschlingen.
Hast du einen Braten gesehen?

Ich habe dir mein Herz
auf einem silbernen Tablett serviert.
Aber du hast damit
nichts anderes anzufangen gewusst,
als es Schritt für Schritt zu vergiften.
Was hast du nur gesehen?

Ich habe dir mein Herz
auf einem silbernen Tablett serviert,
aber du hast nichts anderes behalten,
als das silberne Tablett.
Hast du kein Herz gesehen?

Dieter Edelmann, 24. 06. 1981

Geht die Welt heute unter


 Geht die Welt heute unter

Was draußen passiert interessiert mich nicht,
geht die Welt heute unter, geht sie ohne mich.

Ich stell das Telefon leise und die Klingel ab,
bin nach dem Aufstehn schon müde und schlapp,
mir ist wie kopflos im Wasser zu treiben,
ein Tag um viele Gedichte zu schreiben.

Hab`n Kloß im Hals bin wie zugeschnürt,
und jedes Licht tut weh das meine Augen berührt,
fühl mich wie `ne Zitrone so ausgepresst,
und hoffe, dass man mich heute in Ruhe lässt.

Draußen geht alles  wie üblich weiter,
und die Welt wird auch ohne mich ein Stück gescheiter
Und nicht einmal das Abendprogramm der ARD
Tut meinen Ohren  heute mehr weh.

Zehn Zigaretten pro Stunde werden nich reichen,
ein Tag im Kalender zum Rot unterstreichen
Zwei  Flaschen Sekt bringen auch nicht den Kick
und trotz L. Cohen macht es auch nicht Klick.

Die Bude sieht aus wie nach`m Bombenangriff
und heute wird`s echt nix mit  dem Klar Schiff,
das Bett winkt mir aus der Ferne zu,
bin kaputt aber komm nicht zur Ruh.

Und die Zeit geht mir tierisch auf den Wecker,
und alles ist da und nix is lecker,
selbst ein Lächeln von dir würd mich heut`  nich` retten,
vielleicht sollte ich in den Weltraum jetten.


Was draußen passiert interessiert mich nicht,
geht  die Welt heute unter, geht sie ohne mich!!

Dieter Edelmann
(Nach Ina Deter ,Ohne mich)
04.02.2012

Die Große Liebe


Die Große Liebe
(für meine Schwestern)

Was ist die Große Liebe?
Wenn es eine große gibt,
muss es zwangsläufig auch eine kleine geben.
Was ist dann eine Kleine Liebe?

Ich dachte immer,
es gibt nur die Liebe.

Ist die Große Liebe
der prachtvolle Prinz auf dem Schimmel,
der euch aus eurem gefühlten
armseligen Leben errettet?
Euch auf Händen trägt,
damit eure Füße
nicht mehr den Boden berühren müssen,
euch die Sterne vom Himmel holt,
die Welt zu Füßen legt,
jeden Tag den roten Teppich ausrollt?
Und so weiter und so fort.

Mir reicht es schon,
wenn mich eine Frau achtet, respektiert,
mich so annimmt wie ich bin,
wir unsere Leben miteinander teilen können.
Wir nicht unseren gegenseitigen
Vorstellungen entsprechen
und Erwartungen erfüllen müssen.

Wenn das nur eine kleine Liebe ist,
dann bin ich damit mehr als zufrieden.
Besser als keine. Oder?

Dieter Edelmann, 25.05.2012

Zuhause


Zuhause

Ich weiß nicht mehr,
wann ich es verloren habe,
aber irgendwann  begann es hier,
auf einer alten, staubigen Landstraße,
auf dem Weg zu ihm
und ich wusste nicht,
wer und wo es ist
und ob es das überhaupt gibt.

Wer ist dieser abgerissene, gebeugte  Alte dort,
dessen Schatten mich seit Tagen schon verfolgt.
Und dann an einem Wasserlauf im hellen Sonnenschein,
grinst mir mein eigener Schatten hämisch ins Gesicht.

Die Müdigkeit steckt mir in den Gliedern,
mein Gang ist schleppend und schlurfend,
die Fetzen an den Füßen,
ziehen Furchen in den Kies und Sand.

Der Staub brennt in meinen Augen,
die Sonne hat mir die Haut verbrannt.
Meine Stirn glüht, mein Mund ist ausgedörrt
Und in meinem Kopf kocht das Blut.

Die Augen fallen mir zu.
Ich habe keinen Blick für das Leben am Straßenrand.
Die farbenprächtigsten Blumen scheinen grau.
Der Gesang der Lerchen erreicht mich nicht mehr.

Mein Weg führte mich durch viele Länder.
Unterwegs bin ich in Häusern eingekehrt
und einige waren dabei, die ihm sehr ähnlich waren
und es trieb mich wieder auf die Straße –
weil sie ihm nur ähnlich waren.

Vielleicht war ich auch noch zu ruhelos,
wollte noch was sehen und erleben,
mir den Wind um die Nase wehen lassen
und mit Mond und Sternen über mir,
mich zur Ruhe begeben.

So bin ich weitergezogen, mit offenem Blick
und einem  Lied auf den Lippen.
Und dann kam es – mein Kind.
Als ich es verlor,
war ich ein gebrochener Mann.

Als ich dann wieder auf die Füße kam,
mit Staub, Dreck und Schlamm bedeckt,
die Seele wundgeschlagen,
zog ich weiter auf dem endlosen Band,
das nur die Sehnsucht nach ihm kennt.


Dann dachte ich, es sei  jetzt an der Zeit,
selbst ein Haus am Weg zu bauen.
Doch vielleicht war ich kein guter Architekt,
denn es schien, als ob mein Fundament schon schlecht.

Und was mich weinen ließ und traurig stimmte,
dass mit meinem Fundament,
vielleicht auch unser Haus zerbricht.
Es brannte mich wie Feuer,
als unser  Haus Risse zeigte
und sich zur Seite neigte.

Und doch sehnte ich mich nach Geborgenheit,
Zärtlichkeit, und meine wollte ans Licht.

Und ich muss wieder auf die Straße,
obwohl mich meine Füße kaum noch tragen
und ich nur aus Schmerz
und Sehnsucht nach ihm bestehe.

Jetzt bin ich wieder
auf der alten staubigen Landstraße
auf dem Weg zu ihm,
nur weiß ich nicht,
wer und wo es ist,
und ob es das überhaupt gibt,
außer in mir.

Dieter Edelmann, 14. 06. 1981